Zu Beginn eine leere Bühne, die in blaues, nebelschwadendurchtränktes Licht getaucht ist – darauf lediglich ein verlassener Mikrofonständer – ein krasser Kontrast zum hellerleuchteten Zuschauerraum. Plötzlich entert ein junger Bursch die Bühne, reißt den Mikrofonständer herum und erzählt die Geschichte der Stadt „Moneypullis“ im Jahr 2062. Im diesem Augenblick ändert sich nicht nur schlagartig das Licht im Zuschauerraum, sondern auch die Aktion auf der Bühne, denn plötzlich stimmen, von allen Seiten gleichzeitig kommende jungen DarstellerInnen, stimmgewaltig in die Rocknummer ein.
Das ist der ungewöhnliche Beginn eines bemerkenswerten Jugend-Musicals, das sich wenig nach Traditionen oder gängigen Musicalstilen richtet. Hier führt der rote Faden die Zuseher Schritt für Schritt in teils nachdenkliche, teils witzige und immer unvorhersehbare, spannende Wendungen und lässt so den Ausgang der Geschichte lange offen.
„LAST XMAS“, das mittlerweile dreizehnte Werk in der Serie jährlich neuer Weihnachtsjugendmusicals des PERFORMING CENTER AUSTRIA, feierte am 13.12.2012 eine überaus gelungene Premiere im Theater Akzent.
Bei „LAST XMAS“ werden Konventionen über Bord geworfen. Damit riskiert man vielleicht jene zu irritieren, die etwas gänzlich anderes erwartet hatten, z.B. eine nette, vorhersehbare Weihnachtsgeschichte. Gleichzeitig eröffnet man damit aber die Chance, in neue Dimensionen vorzustoßen, die man nur dann erreichen kann, wenn man –trotz großer Erfolge – Jahr für Jahr bereit ist, immer wieder neue Wege zu beschreiten.
Die Philosophie bisherige Erfolgswege zu verlassen und bewusst Risiken einzugehen ist bezeichnend für das Performing Center Austria – nicht nur beim Xmas Project, sondern auch in der Profiausbildung der Performing Academy.
Dahinter steckt die Überzeugung, dass nur so Weiterentwicklung möglich ist und neue Impulse gesetzt werden können und es macht uns stolz, dass auch „Last Xmas“ die Richtigkeit dieser Überzeugung beweist, indem dieses unorthodoxe Musical, das authentisch die Sprache der jungen Menschen spricht, vom jungen, aber auch vom sonstigen, Publikum begeistert aufgenommen wird.
„Last Xmas“ ist aber auch der Beweis dafür, dass Musicalstoffe nicht oberflächlich sein müssen und unverkrampft wichtige Botschaften vermitteln können. In „Last Xmas“ sind das zum Beispiel der Mut zu Individualität und Zivilcourage, die Verneinung von Konformität und Obrigkeitsgläubigkeit sowie die Überzeugung, dass ein Miteinander und die Freiheit über Profitmaximierung und Machtausübung zu stellen sind.
Solche Motive, gepaart mit dem Talent, Können und der Leidenschaft der 38 jungen HauptprotagonistInnen, mit einem beachtlichen Altersdurchschnitt von 14,5 Jahren (!), machen „Last Xmas“ zu einem besonders sympathischen Weihnachts-Musical, obwohl oder gerade, weil es ohne verklärte Weihnachtsromantik auskommt und stattdessen mit rockiger Musik und frechen Dialogen besticht.
Von den Hauptrollen bis zu den kleinsten Nebenrollen wird mit hoher Authentizität agiert, die in den kraftvollen und lauten aber vor allem auch in ganz stillen Szenen, wie z.B. das herrliche Terzett „Vergeude Zeit“, berührt und überzeugt. Momente mit solch einer Intensität können nur entstehen, wenn ein Ensemble mit so viel Potential zur Verfügung steht, das nicht nur tanzen und singen kann, sondern auch den Mut hat, Gefühle vor mehr als 400 Personen auf der Bühne zuzulassen.
Es lässt den Zuseher oftmals das Alter der jungen ProtagonistInnen vergessen, wenn diese souverän schwierigste, mehrstimmige Songs genauso meistern, wie zahlreiche, aufwändige Choreographien.
Jemanden speziell aus dem Ensemble heraus zu heben, ist nicht nur nicht beabsichtigt, sondern auch nicht zielführend. Alternierend stehen zwei gleichwertige Besetzungen auf der Bühne, die jeder Rolle mit ihrer unverwechselbaren Interpretation erfüllen.
All das ist auch das große Verdienst eines phantastischen Leading Teams, das die Aufgabe bewältigt hat, das Stück mit zwei Besetzungen einzustudieren und dabei unterschiedliche Zugänge und die Individualität des Einzelnen bewusst zu fördern.
Bereits bei der Audition im April konnte man beobachten, wie gut das Leading Team mit Regisseur Jürgen Kapaun an der Spitze untereinander harmoniert. Die gemeinsame Leidenschaft für die Theaterarbeit mit jungen Menschen war spürbar, wenn Jürgen, z.B. in Besprechungen während der Produktionsphase, mit den beiden Choreographen Lisa Tatzber und Thomas Poms, der musikalischen Leitung Sandra Schennach – und in späterer Folge Julia Raich – und dem Autor Tommy Tatzber über die einzelnen Charaktere oder Szenen diskutierte. So wurden von Tommy viele Charaktere erst nach der Audition ins Buch aufgenommen, weil DarstellerInnen bei der Audition ganz neue, erfrischende Aspekte eröffneten oder bestehende Charaktere und ganze Handlungsstränge komplett umgeschrieben, damit diese von den jungen DarstellerInnen überzeugend dargestellt werden können. Dabei wurden auch immer wieder Szenen und Songs dahingehend thematisiert, ob diese einem (jungen) Publikum zuzumuten, glaubwürdig und handlungsdienlich sind und meist wurde vom Leading Team votiert, im Zweifelsfall neue Herausforderung zu wagen.
Herausgekommen ist ein Stück, das mit viel Wortwitz hervorragend unterhält, unkonventionell ist und zum Nachdenken anregt und vor allem eines ermöglicht: Das Können und das Talent begabter junger Darstellerinnen in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken und so einen ganz entscheidenden Beitrag zur wichtigen Persönlichkeits- und Talententfaltung der jungen Menschen zu leisten.
Nicht von Ungefähr ist dieses Xmas Projekt über all die Jahre Ausgangspunkt zahlreicher Karrieren verschiedenster Musicaldarsteller geworden, die mittlerweile Erfolge auf den großen heimischen und internationalen Bühnen feiern, wie Denise Jastraunig, Linda Geider oder Jakob Semotan, um nur einige zu nennen. Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll auf, wie wichtig eine frühe und zielgerichtete Jugendförderung – nicht nur – im Musicalbereich ist. Nirgendwo sonst in Österreich kann man so viel geballtes Potential junger Talente gemeinsam auf einer Bühne sehen wie beim Xmas-Project und man kann davon ausgehen, dass wir in 5 – 15 Jahren einige dieser DarstellerInnen ebenfalls als umjubelte Musicalprofis auf den großen Bühnen sehen werden.
Für sie wird dann der emotionale Titel des Abschlusssongs dieses Jugendmusicals „Dann ist es soweit“ gelebte Realität!
Und so ist gerade „Last Xmas“ als ein ganz starkes Statement und Garant dafür, dass dieses Projekt nicht – wie im Titel vermeintlich impliziert – beendet wird, sondern man sich, ganz im Gegenteil, bereits jetzt auf Weihnachten 2013 freuen kann, wenn das Xmas-Projekt dann erneut ein neues, starkes und wieder anderes Gesicht von sich zeigen wird.
In diesem Sinne Gratulation an alle DarstellerInnen, an das Leading Team und den vielen Personen, die dieses Projekt organisatorisch über Jahre immer wieder neu vorbereiten und so mitgeholfen haben, das Xmas Projekt zu dem zu machen, was es heute darstellt!